Sonntag, 11. April 2010

Von Prinzen und Gäulen

"Wo ist denn bitte der Scheiß-Prinz mit seinem Gaul?"
Die Frage stellen sich Frauen nicht erst seit es StudiVZ gibt. Ebenso wie man heute zuverlässig Vollidioten - Ed Hardy sei Dank - bereits auf 100 Meter erkennen kann, möchte man (oder besser Frau) den perfekten Freund/Liebhaber/zukünftigen Ehemann schon auf einen Blick ausmachen können.
Der Mann ihres Herzens muss mutig sein, gutaussehend, stark, zärtlich, romantisch und gut im Bett. Er muss lieb zu Kindern sein, spontan sein, kochen können, handwerklich was drauf haben, Manieren haben, tierlieb sein, gerne shoppen gehen, Sex and the City mögen, die Frau beschützen, aber gleichzeitig auf Händen tragen uvm. (diese Aufzählung erhebt nicht mal im Ansatz den Anspruch auf Vollständigkeit) und dennoch muss der Mann irgendwie gleichzeitig noch das "typisch-männlich-Klischee" erfüllen, damit die ganzen schönen Stereotypen die man aus Zeitschriften, Filmen/Serien oder Stand-up-Comedy-Acts kennt, nicht ganz umsonst waren. Kurz mit den Worten einer Freundin zusammengefasst: Er muss aussehen wie ein Engel und f***** wie der Teufel. (Ein Zitat, das ich auch bereits im Bezug auf Frauen gehört habe - sind wir womöglich doch nicht so verschieden in unseren Ansprüchen?)
Günstigerweise vereinigen sich diese unzähligen Eigenschaften und Fähigkeiten anscheinend in wenigen äußerlichen Merkmalen. Die markantesten sind: silberne Rüstung und weißer Schimmel. Klare Anzeichen für einen Prinzen: Prinzen = alles was ich oben genannt habe in Reinkultur.
Man könnte meinen, Walt Disney hat uns diesen Floh ins Ohr gesetzt. Dabei ist das Prinzip: äußere Schönheit = innere Schönheit bereits viel älter. Die höfische Dichtung des 12. Jahrhunderts kennt lauter Beispiele, in denen der "perfekte Mann" gleichzeitig auch augenscheinliche Attribute besitzt.
Aber bleiben wir bei Disneys Märchenbild: viele Frauen knutschen Frösche (oder lecken wahlweise daran, wegen der berauschenden Wirkung) und blicken seufzend aus irgendwelchen Turmzimmern, in der festen Gewissheit, dass irgendwo der Traumprinz bereits auf dem Weg ist, Dornenhecken zerhackt, Schluchten und reißende Flüsse überquert, nebenbei die Sachen aus der Reinigung holt und schon bald dieses ganze Elend hier beendet. Nie wieder Frösche!

Unterziehen wir Disneys Theorie mal einem kritischen Blick unter dem harten Licht der Realität. Zu diesem Zweck stellen wir uns bitte folgende Szene vor.
Die Dame des Herzens - eine Prinzessin (nichts anderes retten Prinzen, meine Damen!) steht mit wallendem blonden (andere Haarfarben möglich) Haar vor dem prächtigen Schloss und betrachtet seufzend ihren Helden, wie er am Fuße des Berges auf einem Platz auf seinem weißen Schimmel in schillernd silberner Rüstung und mit wogendem Helmbusch hin und herreitet und sich seiner Dame präsentiert. Er reitet hin, sie seufzt entzückt, er reitet her, sie seufzt entzückt, der Helmbusch wogt mal in die eine mal in die andere Richtung. Das Bild soweit klar? Gut!
Das ganze geht einige Zeit lang eintönig weiter. Natürlich alles in der prallen Sonne, sonst würde die Rüstung ja nicht schillern. Irgendwann schnaubt das Pferd vor Anstrengung und beginnt zu lahmen. Schweiß durchtränkt die Wattierung unter der silbernen Rüstung und der Helmbusch klebt mehr oder weniger am Hinterkopf fest. Aus dem entzückten Seufzen der Dame ist ein leichtes "hmm" geworden.
Das ist der Augenblick, in dem sich der Held entschließt, es sei endlich an der Zeit sich seiner Braut zu nähern. Er hält also auf die blond gewallte Prinzessin und ihr prächtiges Schloss zu.
Und je näher sich die beiden kommen, umso mehr beginnt der Zauber an Wirkung zu verlieren. Kleine Details, die man vorher nicht wahrgenommen hat, fallen plötzlich auf, z.B. seine dünnen Arme, die die Zügel etwas ungeschickt halten oder wie sich die Rüstung über seinem Bauch verdächtig spannt. Doch auch mit ihr geht eine Veränderung einher, z.B. beginnt das Schloss auf unerklärliche Weise langsam zu schrumpfen. Wenn der Held dann schließlich bei seiner Liebsten mit den nunmehr wasserstoffperoxidbehandelten Extensions vor dem Ein-Familien-Bungalow angekommen ist, dann, ja dann schließt sie ihn endlich in ihre zarten Arme und begrüßt ihn mit den langersehnten Worten: "Schatz ... du müffelst."

So oder so ähnlich verlaufen nicht wenige Beziehungen. Irgendwann tritt der Alltag gnadenlos auf die rosarote Brille.
Bleibt mir zum Schluss nur noch ein paar Dinge anzumerken, die mir aufgefallen sind, und das Nachdenken anderen zu überlassen:
1. Keiner der Prinzen in Disneyfilmen trägt eine schillernde Rüstung.
2. Ebensowenig sind alle von den Prinzen gerittene Pferde Schimmel.
3. Die meisten Frauen, die sich einen ebensolchen Prinzen wünschen, sehen nicht aus wie Schneewittchen, Dornröschen oder wie sie alle heißen.
4. Keine der Damen befindet sich tatsächlich eingesperrt in einem Turmzimmer, werden bewacht von einem Drachen oder liegen in einem gläsernen Sarg.
5. Überleg einmal selbst, wie du (0der wahlweise deine Eltern) darauf reagieren würdest, würde ein Ritter Rüstung und Schlachtross in dein Klassenzimmer, deinen Arbeitsplatz, dein Zuhause eindringen und den Lehrer, die Kollegen oder den Fernseher erschlagen, um dich zu befreien ... oder wahlweise des nachts mit einer Leier unter deinem Fenster leiern.
6. Disneyfilme enden immer im romantischen Moment, wenn der Prinz seine Prinzessin heim auf sein Schloss führt. Gegen neugierige (oder kritische) Nachfragen wurde das Killer-Argument: "und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende" erfunden. Vom Alltag findet man bei Disney keine Spur. Nähnt Dornröschen seine Kleider? Versorgt Schneewittchen die Kinder? Schon allein deswegen muss es ein Prinz sein. Die haben wenigstens Personal, das einem den Alltag in großen Teilen abnimmt.

Und nichtsdestotrotz gibt es Momente, da möchte ich der Prinz sein. Momente, da ist das Turmzimmer ein Keller, der Drache ein Mensch, der böse Ritter ohne Rüstung unterwegs, aber dennoch deutlich erkennbar. Was bleibt ist eine Frau in Not, Prinzessin hin oder her. Und man möchte sich auf seinen Schimmel schwingen, das Schwert ziehen und zur Befreiung eilen. Eine Rüstung wäre sicher auch noch aufzutreiben. Aber das wäre alles ziemlich kompliziert und bis das Pferd die Strecke zurückgelegt hat, vergehen Tage...
Mein Tipp liebe Frauen: Besteht nicht auf die Klichees. Statt eines Schimmels dürfen es auch PS unter der Haube sein, statt der schillernden Rüstung vielleicht eine schwarze Jacke, ein weißes Hemd, eine schwarze, dünne Krawatte und Jeans (hauptsache der Mann sieht darin für euch heiß aus). Dann kann es sein, dass ihr sehr viel häufiger "gerettet" werdet.

Zum Schluss noch einmal ein Zitat. Diesmal kein Songtext, sondern ein Satz, den eine Freundin mit gegenüber einmal äußerte:

"Jeder Mensch begegnet irgendwann im Leben dem richtigen Partner (= Prinz), aber viele erkennen ihn nicht rechtzeitig."

1 Kommentar:

Alex Storm hat gesagt…

Ich erwähne nur folgende zwei studiVZ-Gruppen:
"Disney hat mir unrealistische Vorstellungen von Liebe vermittelt"
"Freud hat mir realistischere Vorstellungen von Liebe vermittelt."